Was tun, wenn Sportler psychisch krank werden?

Statement von
Dr. Valentin Z. Markser,
Stellvertretender Leiter des DGPPN Referats Sportpsychiatrie

Mehr sportpsychiatrisch-psychotherapeutische Angebote in Vereinen

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1. Im Leistungssport gibt es seelische ErkrankungenDie Selektionshypothese, wonach es in dem Leistungssport keine seelischen Erkrankungen geben kann, weil sich nur mental starke Athleten durchsetzen, ist nach vorliegenden klinischen Berichten und wissenschaftlichen Untersuchungen nicht mehr haltbar. Bislang galten die seelischen Erkrankungen im Leistungssport als Schwächen im ansonsten gut funktionierenden System. Dabei sind die extremen körperlichen und massiven seelischen Belastungen ein unabdingbarer Teil des Systems Leistungssport. Für die körperlichen Belastungen sind die Sportmediziner zuständig, für die seelischen Belastungen fehlt bislang der Ansprechpartner. Die uns vorliegende Prävalenzstudie der letzten Jahrzehnte erlauben den Schluss, dass nahezu alle seelische Störungen im Leistungssport vorkommen (manche Erkrankungen wie Essstörungen, besonders in den ästhetischen Sportarten, zehn bis zwanzig Mal häufiger als in der Gesamtbevölkerung), dass es zu sportspezifischen Ausprägung der seelischen Störungen kommt (wie Anorexia nervosa und Overtrainigssyndrom) und dass die Athleten, trotz der seelischen Störung auf einem hohen Leistungsniveau Sport treiben können.  2. Seelischen Erkrankungen bedeuten kein Ende der Karriere Die Sportler sind in der Lage, trotz behandlungsbedürftiger seelischer Störung sportliche Hochleistungen zu vollbringen und  bei angemessener und rechtzeitiger Behandlung ihre Laufbahn fortzusetzen. Die verfügbaren Behandlungsberichte sprechen gegen einen noch immer weitverbreiteten therapeutischen Nihilismus in dem Bereich. Derrick Adkins gewann 1996 in Atlanta die Goldmedaille, obwohl er an Depression erkrankte und sich während des Wettkampfes in psychiatrischer Behandlung befand. Andre Agassi beschreibt in seiner Biographie ausführlich seelische Probleme im Verlaufe seiner Sportlerlaufbahn. Ron Artest von den Los Angeles Lakers bedankte sich nach dem Gewinn der amerikanischen Basketballmeisterschaft im Sommer dieses Jahres auf einer Pressekonferenz für die psychotherapeutische Behandlung seiner Ängste.3. Seelische Gesundheit ist Voraussetzung für Leistung Die zunehmende Beschäftigung der Sportpsychologen ist aus verschiedenen Gründen zu unterstützen. Aber mehr Sportpsychologen bedeutet nicht mehr seelischer Gesundheit, sondern mehr Leistungsoptimierung. Die Sportpsychologen haben weder den Anspruch noch die Ausbildung therapeutisch tätig sein zu können. Auch die Überweisung an einen in der Praxis tätigen Psychiater oder Psychotherapeut ist im Ansatz die richtige Maßnahme. Aber aufgrund der sportspezifischen Ausprägungen und Diagnose- und Behandlungsschwierigkeiten, bleibt sie begrenzt wirksam und die zweite Wahl.

Um die Früherkennung, Prävention und Behandlung der seelischen Belastungen und Störungen im Leistungssport gewährleisten zu können, brauchen wir mehr im Leistungssport erfahrene Psychiater. Aufgrund der sportspezifischen Ausprägung vieler seelischen Störungen und damit einhergehenden Schwierigkeiten der Diagnostik und Behandlung, reicht eine allgemeinpsychiatrische Ausbildung nicht aus. Es geht nicht darum den Sport zu psychiatrisieren, sondern anzuerkennen, dass die massiven seelischen Belastungen Bestandteil des Leistungssports sind und dass dagegen präventive und therapeutische Maßnahmen ergriffen werden können. Wir befinden uns erst am Anfang einer Entwicklung. Mit der Gründung des DGPPN-Referats „Sportpsychiatrie“ haben wir die Organisationsform geschaffen, um wissenschaftliche Untersuchungen zu unterstützen und um sportspezifische präventive und therapeutische Maßnahmen anbieten zu können.

4. Die Anerkennung der seelischen Belastungen und Störungen bringt keine wirtschaftliche Nachteile für die Vereine
Die Angst der Sportler und der Verantwortlichen vor einer regelmäßigen sportpsychiatrischen Betreuung ist verständlich, aber unbegründet. Die sportlichen und wirtschaftlichen Nachteile durch die unbehandelten seelischen, psychosomatischen und funktionellen Erkrankungen, die frühen Karriereabbrüche und der Verlust von körperlich hoch talentierten aber seelisch labilen Spieler, lassen sich durch sportpsychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen minimieren. Wenn ein Sportler vor einem wichtigen Wettkampf (wie dem letzten Halbfinale der Champions League zwischen dem FC Bayern und Lyon) wochenlang in der Presse mit seinem Privatleben betreffenden massiven Vorwürfen  stark belastet wird, kann eine psychotherapeutische Krisenintervention helfen, die Affektkontrolle zu erhalten, Verletzungen zu vermeiden und wirtschaftliche Nachteile für den Verein zu begrenzen.

Kontakt:
Dr. med. Valentin Z. Markser
E-Mail: valentin.z.markser[at]netcologne.de