Separatismus überwinden und Furore in der Medizin

Frau Frrancois-Kettner, Pflegedirektorin der Berliner Charite, gibt ein wichtiges Stichwort während der Abschlusspressekonferenz im Rahmen des Hauptstadtkongresses 2013 im ICC Berlin. Sie wird im kommenden Jahr die wissenschaftliche Leitung des Pflegekongresses übernehmen und die Arbeit von der bisherigen Leitung Frau Marie-Luise Müller fortführen. Ein wichtiges Anliegen wird die Überwindung von Separatismus sein.

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Frau Müller konnte gemeinsam mit Herrn Faltin, Gesundheitsministerium Rheinland-Pfalz, und Herrn Wagner vom Deutschen Pflegerat einen Erfolg während eines Pressegespräches vorstellen: 2015 wird in Rheinland-Pfalz die erste Pflegekammer gegründet. „ Das wird das Gesundheitswesen verändern“, so Frau Müller. Herr Faltin betont, dass es Betreten von Neuland ist und noch viel Arbeit ansteht. Die Ärztekammer wird die Pflege während des Aufbaus der Strukturen für Selbstverwaltung mit ihren Erfahrungen unterstützen. Ein wichtiger Punkt wird die Beitragshöhe sein, so Frau Müller, wir müssen den Pflegekräften klarmachen, was sie von der Beitragszahlung haben. Eine Befragung der potentiellen Mitglieder hat 75% Zustimmung ergeben, auch haben die Verbände ein Votum für die Kammer abgegeben. Dieses waren Vorbedingungen für die Gründung, so Faltin. Es wird mit 40.000 Mitgliedern gerechnet.

Ganz anders stellt sich die Situation für Kinderhospize dar. Die Finanzierung scheitert an separaten Kostenträgern, so dass mit den Kinderhospizen keine Rahmenverträge zustande kommen. Sie sind nach wie vor zu 50% auf Spenden angewiesen. Prof. Thomas Klie, AGP Sozialforschung an der Ev. Hochschule Freiburg, und Frau Sabine Kraft, Bundesverband Kinderhospiz, stellen die Studie „Bedarfsanalyse zu Kinderhospiz-Angeboten“ vor. Es können keine Zahlen genannt werden, so Frau Kraft, die Aufgaben sind zu vielfältig. Medizinische Versorgung, Beratung der Angehörigen, psychosoziale Betreuung der Kinder und der Eltern, Organisation von weiteren Unterstützungssystemen und das kurzfristige Entlasten der Familien in akuten Belastungssituationen. Jedes Kinderhospiz hat ein eigenes Profil, so dass es schon gar nicht einfach ist zu definieren, was ein Kinderhospiz eigentlich ist, erläutert Prof. Klie. Er fände es sinnvoll, die Kinderhospize zu Kompetenzzentren werden zu lassen. Eines ist aber klar: Die Kinder mit lebensverkürzenden Erkrankungen kommen nicht nur zum Sterben in ein Kinderhospiz.

Ein Problem mit Separatismus ganz anderer Art haben die Psychiater und ärztlichen bzw. psychologischen Psychotherapeuten. Im Rahmen eines Pressegespräches und einer Veranstaltung zu dem Thema „Ist heute fast jeder psychisch krank?“ erläutern Dr. Iris Hauth (DGPPN), Prof. Dr. Wolfgang Maier (DGPPN), Dr. Frank Bergmann (Berufsverband Deutscher Nervenärzte) und Dr. Heiner Melchinger (Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung Hannover) das Problem: Für Psychotherapie wird mehr vergütet als für die Versorgung durch einen Facharzt für Psychiatrie. Das hat dazu geführt, dass sich viele Fachärzte als Psychotherapeuten niedergelassen haben und jetzt dem Versorgungsnetzwerk fehlen. Das Problem besteht in der Versorgung schwer psychisch Kranker. Wird ein Patient aus stationärer Behandlung entlassen und braucht sofort anschließend einen ambulanten Psychotherapieplatz, gibt es Wartezeiten von 6-8 Monaten. Die Facharztpraxen sind daher überfüllt und haben keine zeitlichen und finanziellen Ressourcen die notwendigen Gespräche zu führen. Die niedergelassenen Psychotherapeuten nehmen Schwerkranke häufig nicht auf. Auch die Kombination aus medikamentöser Therapie und Psychotherapieverfahren funktioniert nicht reibungslos. Herr Melchinger betont, dass die Therapieauswahl innerhalb der psychotherapeutischen Verfahren nicht von der Diagnose abhängt, sondern davon, wo ein Platz frei ist. Dr. Andreas Köhler von der kassenärzlichen Bundesvereinigung fordert während einer Podiumsdiskussion, dass die „Grabenkämpfe“ aufhören.

Plasmamedizin

„Plasmamedizin wird Furore machen“, schwärmt Prof. Axel Ekkernkamp vom Unfallkrankenhaus Marzahn und wissenschaftlichen Leiter des Deutschen Ärzteforums. Wissenschaftlicher verschiedener Disziplinen haben sich an einen Tisch gesetzt und etwas entwickelt, was aussieht wie ein Kugelschreiber und eine kleine Flamme spuckt, die aber kein Papier anbrennen kann, den Plasmapen. Dahinter steht jahrelange Grundlagenforschung von Medizinern, Physikern und Technikern.

Die wissenschaftlichen Leiter des Kongresses Prof Dr Axel Ekkernkamp, Marie Luise Müller, Dr Uwe Preusker, und Heinz Lohmann (vlnr)/ Fotocredit „Schmidt-Dominé/WISO”

Prof. Ekkernkamp, Prof.Dr Thomas von Woelke und Prof. Dr. Klaus-Dieter Weltmann (Leibniz Institut für Plasmaforschung und Technologie), Prof Dr. Jürgen Lademann (Charite), Prof. Dr. Dr. Hans-Robert Metelmann (Universität Greifswald) und Prof.Dr. Rupf (Anwendungspotenzial physikalischer Plasmen in der Zahnmedizin) stellen die Ergebnisse vor.
Plasma wird in der Industrie verwendet, z.B. für Beschichtung von Oberflächen von Brillen und Geldkarten. Nun ist es gelungen, die Eigenschaften so zu verändern, dass es im klinischen Bereich angewendet werden kann. Plasma ist ein aktiviertes Gas, die Wirkung entsteht durch Wärme, UV-Strahlung und freie Radikale. Es wirkt oberflächlich, zeitlich begrenzt und lokal, so dass das Hauptfeld bislang die Dermatologie ist. Bei chronischen Wunden wirkt Plasmabestrahlung desinfizierend und regt die Wundheilung an. Das Besondere ist, dass auch multiresistente Erreger sensibel auf Plasma reagieren. Die Anregung des Gewebes erfolgt durch bereits bekannte biochemische Reaktionen in den Zellen, u.a. werden von den Zellen spezifische Wachstumsfaktoren ausgeschüttet.
Die Behandlung von chronischen Wunden wird einfach, schmerzfrei und für die Patienten schonend. Es konnten keine nachteiligen Wirkungen festgestellt werden, preislich wird sich die Behandlung mit Lasertherapie vergleichen lassen, erläutert das Expertenteam.
„Trotz meines Namens stehe ich für zahnerhaltende Medizin“, so Prof. Rupf. Die Anwendung bei Paradontitis ist noch nicht möglich, weil das Plasma nicht in die Zahnfleischtaschen gebracht werden kann, hätte aber eine optimale keimabtötende Wirkung. Ist die Zahnpulpa geöffnet, ist Plasma ein optimales Desinfektionsmittel, weil es an Stellen kommt, die ein Medikament nicht erreichen kann, sozusagen „um die Ecke“. Den Bohrer wird es nach seiner Einschätzung nicht ersetzen können.

Je nach gewünschtem Effekt müssen die Eigenschaften des Plasmas entsprechend geändert werden. Ob mehr desinfizierend oder wundheilungsanregend, auch kann eine medizinische Oberflächenbehandlung die Keimbesiedelung beeinflussen. Hier sind die Wissenschaftler, klinischen Anwender, Techniker und produzierende Industrie gleichermaßen gefragt.

Um alle Aktivitäten zu koordinieren, wurde das Nationale Zentrum für Plasmamedizin am 05.Juni 2013 gegründet. Gründungsvorsitzender ist Prof. Metelmann, der Vorstand setzt sich aus Forschern, Produzenten und Ärzten zusammen.
Aufgabe wird neben der Koordinierung die Entwicklung klinischer Studien sein. Auch die Anwendung in anderen Feldern wie Beispiel Onkologie wird nächste Forschungsaufgabe sein.
Vielleicht entwickelt die Industrie einen Rüssel für den Zahnarztpen, um das Plasma in Zahnfleischtaschen zu platzieren.

Im Rahmen des Hauptstadtkongresses wurden Forschungsergebnisse diskutiert, es stehen zwei konkurrierende Plasmapens zu Verfügung und können direkt in die klinische Anwendung kommen. Prof. Ekkernkamps Frage, ob der Hauptstadtkongress für die Diskussion von Forschung geeignet ist, beantwortet er selbst mit einem klarem Ja.

Der nächste Hauptstadtkongress wird vom 25.-27.06.2014 im CityCubeBerlin stattfinden.

C. Musah