Interview von Hermann Gröhe mit der Zeitung “Neue Westfälische”

Der Generalsekretär der CDU Deutschlands, Hermann Gröhe, gab der „Neuen Westfälischen“ (heutige Ausgabe) folgendes Interview. Die Fragen stellte Alexandra Jacobson.

Neue Westfälische: Herr Gröhe, atmosphärisch läuft es bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD gut, doch inhaltlich knirscht es gewaltig. Stimmt das?

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Gröhe: Wir haben immer gesagt, dass wir den gesamten November brauchen. Koalitionsverhandlungen sind kein Speed-Dating. Am Anfang guckt man, ob die handelnden Personen einander vertrauen, spricht über die großen Linien. Jetzt sind wir einen Schritt weiter, blicken ins Kleingedruckte und ringen durchaus hart um Ergebnisse.

Neue Westfälische: Nehmen wir mal den Mindestlohn heraus: Soll es auf einen Schlag überall 8,50 Euro geben, auch im Thüringer Wald?

Gröhe: Für die Union gibt es eine klare Maßgabe für alle Kompromisse: Wir wollen, dass unser Land wirtschaftlich stark bleibt und keine Arbeitsplätze gefährdet werden. Das gilt auch beim Mindestlohn, das haben wir der SPD sehr deutlich gemacht. Ein anderes Beispiel: Es gibt Missbrauch bei Werkverträgen und der Leiharbeit, diesen wollen wir bekämpfen. Aber wir dürfen dabei das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Werkverträge müssen weiter möglich sein. Wir wollen keinen völlig verriegelten Arbeitsmarkt, der vielen Einstiegschancen nimmt.

Neue Westfälische: Die SPD hält die 8,50 Euro für nicht verhandelbar, die CSU sagt dasselbe von der PKW-Maut. Wird die CDU zwischen den beiden starken Partnern zerrieben?

Gröhe: Die CDU hat als stärkste Partei vor allem eine Aufgabe: Sie muss den Blick fürs Ganze haben. Das ist wichtiger als so manche Einzelmaßnahme. Die SPD kennt unsere zentralen Bedingungen für eine gemeinsame Koalition. Wir sind gegen neue Schulden und Steuererhöhungen. Ansonsten halte ich nichts davon, sich öffentlich rote Linien um die Ohren zu hauen. Es geht doch nicht ums „Wünsch-Dir-Was“ oder ums Punktesammeln, sondern um unser Land. Es ist unsere Aufgabe, eine Regierung zu bilden, mit der es den Menschen 2017 noch ein Stück besser geht als 2013. Und erkennbar hat Deutschland bei der Bundestagswahl keinen Politikwechsel nach links gewählt.

Neue Westfälische: Hat die CDU bei der PKW-Maut ein Glaubwürdigkeitsproblem? Angela Merkel hat die Maut im Wahlkampf ausgeschlossen.

Gröhe: Erstens ist das letzte Wort zur PKW-Maut längst nicht gesprochen. Zweitens sind wir uns einig, dass wir mehr in die Infrastruktur investieren, die deutschen Autofahrer aber nicht stärker belasten wollen. Dass eine Maut faktisch nur für Autos gelten soll, die außerhalb Deutschlands zugelassen sind, wirft zahlreiche Rechtsfragen auf. Diese sind noch nicht geklärt.

Neue Westfälische: Die SPD hätte es sich gewünscht, dass der Mindestlohn schon vor dem Bundesparteitag in Leipzig, der am 14. November beginnt, festgezurrt ist. Danach sieht es aber nicht aus, oder?

Gröhe: Wie bei jeder Koalitionsverhandlung werden viele strittige Fragen vermutlich erst zum Schluss, in diesem Fall also Ende November, entschieden werden. Weder der SPD-Bundesparteitag noch der CSU-Parteitag bestimmen unser Tempo bei der Suche nach Lösungen. Auch die Mitgliederbefragung bei den Sozialdemokraten ist nicht der Maßstab, sondern allein die Frage: Was ist gut für Deutschland?

Neue Westfälische: Haben Sie die Befürchtung, dass die SPD-Mitgliederbefragung auch nach hinten losgehen könnte?

Gröhe: Es ist sicher eine anspruchsvolle Aufgabe für die SPD-Führung, die Mitglieder von einem Koalitionsvertrag zu überzeugen. Auch wir werden unseren Wählern manch schmerzhaften Kompromiss nahebringen müssen. Aber dieser Gedanke darf bei keinem Verhandlungsteilnehmer zu einer Schere im Kopf führen. Jetzt gilt: Wir brauchen eine Koalitionsvereinbarung, in der sich das Wahlergebnis widerspiegelt und die zugleich dem Land dient.

Neue Westfälische: Mit der FDP ging jahrelang bei der Vorratsdatenspeicherung nichts. Werden sie mit der SPD endlich die Kuh vom Eis holen?

Gröhe: Wir müssen die Brüsseler Richtlinie umsetzen, sonst drohen uns Strafzahlungen. Der Begriff der Vorratsdatenspeicherung ist zudem sehr missverständlich. Es geht ja nicht darum, einen riesigen staatlichen Datenspeicher zu schaffen. Es geht darum, in Einzelfällen und bei schwersten Straftaten auf Daten von Telekommunikationsunternehmen zugreifen zu können. Die Voraussetzungen dafür sollen sehr streng sein. Brüssel schreibt heute eine Speicherfrist von sechs Monaten bis zwei Jahre vor. Ein sinnvoller Kompromiss könnte es sein, diese Frist auf drei Monate zu verkürzen.

Neue Westfälische: Würde die CDU einen Koalitionsvertrag unterzeichnen, wo die verbesserte Mütterrente nicht vorkommt?

Gröhe: Die Mütterrente ist für uns ein ganz zentrales Anliegen. Die Verbesserung muss kommen. Das haben wir schon in der Sondierung klar betont.

Neue Westfälische: Ex-Bundesumweltminister Norbert Röttgen dürfte im nächsten Bundestag wieder eine größere Rolle spielen. Er wird als Chef des Auswärtigen Ausschusses gehandelt. Begrüßen Sie das?

Gröhe: Ich schätze Norbert Röttgen sehr. Gleichzeitig ist das eine ureigene Entscheidung der Bundestagsfraktion. Es gibt sicher viele in der Fraktion, die es begrüßen würden, wenn Norbert Röttgen künftig wieder eine starke Rolle spielt.