Start für Aufbau eines europaweiten Krisennetzwerks unter Koordination der Charité
Berlin, 27. 12, 2023
Eindrucksvoll hat die COVID-19-Pandemie die Relevanz von ausreichendem und gut ausgebildetem Pflegepersonal bei der Bewältigung von Krisen unterstrichen. Doch sind die Akteure im Gesundheitswesen weiterhin mit einem Mangel an Fachkräften in der Pflege konfrontiert. Das an der Charité – Universitätsmedizin Berlin koordinierte Projekt EUCARE begegnet dieser Schwachstelle in den europäischen Gesundheitssystemen. In den kommenden drei Jahren wird es ein internationales Weiterbildungsprogramm entwickeln und Intensivpflegende auf grenzüberschreitendes Arbeiten in Krisenfällen vorbereiten. Initiiert wurde das Projekt vom an der Charité ins Leben gerufenen Pflegenetzwerk der European University Hospital Alliance (EUHA). Unterstützt wird es durch das Bildungsprogramm ERASMUS+.
Es ist ein Lernen aus der Krise: Ende Januar 2020 erreichte COVID-19 den europäischen Kontinent. In Wellen breitete sich die Pandemie aus. Krankenhäuser und Intensivstationen kamen wiederholt an die Grenzen des Machbaren, spezialisiertes Personal wurde knapp. Doch die einzelnen Wellen mit einer Vielzahl an Schwersterkrankten erreichten nicht jedes europäische Land zur selben Zeit. Wie wäre es also, wenn in Krisenfällen dieser Art dringend benötigtes Pflegepersonal europaweit einsetzbar wäre? Wenn die vorhandenen Kräfte mal in dem einen, mal in dem anderen Land tätig werden könnten?
Bereits während der Pandemie tauschten die Mitglieder der EUHA, des Zusammenschlusses führender europäischer Universitätskliniken, Wissen und Best Practice untereinander aus. In Reaktion auf die zahlreichen aktuellen Krisen und die knappe Ressource Fachpersonal bringt das Nursing Network der Klinikallianz jetzt ein gemeinsames Weiterbildungsprogramm für den intensivmedizinischen Bereich auf den Weg. Ziel ist ein Netzwerk spezialisierter, interkulturell geschulter Intensivpfleger:innen, die bereit sind, im Krisenfall auch in anderen europäischen Ländern zu arbeiten. Sicherheit und Qualität in der Intensivversorgung sollen auf diese Weise europaweit ermöglicht werden.
Das dreijährige Vorhaben EUCARE wird den Austausch und die Weitergabe von klinischem Wissen zwischen Pflegeexpert:innen der EUHA-Partnerkrankenhäuser erleichtern, erklärt der Koordinator des Projektes an der Charité, Alexander Lang: „Die Teilnehmer:innen absolvieren praktische Ausbildungsmodule, nehmen an Workshops und an Vorlesungen teil. Am Ende verfügen die EUHA-Intensivpflegenden über solide, speziell auf einen Einsatz in Krisenzeiten ausgerichtete Fähigkeiten. Auch sind sie in interdisziplinärer, interprofessioneller und kulturübergreifender Zusammenarbeit geübt.“ Der Lehrplan wird auf den Erwerb dieser speziellen Fähigkeiten abgestimmt.
Darüber hinaus wird es ein Netzwerk für alle an dem Programm teilnehmenden Pflegenden geben, um den fachlichen Austausch fortzusetzen und auf Einsätze vorbereitet zu sein. Im Fall einer Pandemie, einer Katastrophe oder in anderen Krisenfällen kann das Netzwerk so schnell aktiviert werden. Und auf lange Sicht kann es eine wertvolle Ressource für spezialisierte Fachkräfte mit interkulturellen Kenntnissen sein. Das Programm ist eines der ersten dieser Art im Bereich der Pflege. Es wird durch die Europäische Union im Programm ERASMUS+ mit rund 400.000 Euro unterstützt.
Die Mittel fließen zunächst in die Entwicklung, Erprobung und Verbreitung des Weiterbildungsprogramms. Langfristig soll es auf europäischer Ebene verankert sein. „Wir bieten länderübergreifende Ausbildungsmöglichkeiten in der Intensivversorgung und entwickeln gemeinsam evidenzbasierte Standards für die Pflege in Krisensituationen, die über das Programm hinaus Bestand haben sollen. Wir freuen uns sehr, dass dieses Projekt mit der Initiative von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zusammenfällt, Pflegefachkompetenzen auch in Deutschland gesetzlich und international anschlussfähig zu regeln“, sagt Carla Eysel, Vorstand für Personal und Pflege der Charité.
Alle zehn Mitglieder der EUHA unterstützen das Projekt EUCARE, wobei sechs Mitglieder aktiv an der Ausgestaltung beteiligt sind. Die Praxiseinheiten finden in den jeweiligen Häusern statt und ergänzen die theoretischen Lerneinheiten. Alle Lerninhalte werden abschließend online und kostenlos auf einer europäischen Plattform zur Verfügung gestellt.
Über die EUHA
Die European University Hospital Alliance besteht aus zehn führenden europäischen Universitätskliniken mit nachgewiesener Exzellenz in Gesundheitsversorgung, Bildung und Forschung: Aarhus University Hospital, Dänemark; Assistance Publique – Hôpitaux de Paris, Frankreich; Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland; Erasmus MC, Rotterdam, Niederlande; Ospedale San Raffaele, Mailand, Italien; Universitätsklinik Karolinska, Stockholm, Schweden; King’s Health Partners, London, Vereinigtes Königreich; UZ Leuven, Löwen, Belgien; AKH Wien & MedUni Wien, Österreich; Krankenhaus Campus Vall d’Hebron Barcelona, Spanien. Die Institutionen arbeiten zusammen, um die Versorgung von Patient:innen jetzt und in Zukunft zu verbessern. Dabei haben alle Mitglieder eine Kapazität von mehr als 1.000 Krankenbetten, sie sind Exzellenzzentren in der Forschung und nationale Referenzzentren. Sie decken die bestehenden europäischen Referenznetzwerke (ERNs) ab. Das Motto „Leading by Doing“ steht für die Absicht, kompetenter Berater auf europäischer Ebene zu sein und innovative Lösungen für zentrale Herausforderungen im europäischen Gesundheitswesen zu entwickeln.
Bild: Pflegende auf der Intensivstation: eine wertvolle Ressource, nicht nur in Krisenzeiten. © Lichtbilder Berlin | Robert Lehmann