Hauptsstadtkongress Medizin und Gesundheit ist in den neuen Citycube umgezogen

Gröhe1Vom 25.-27.06.2014 fand der 17. Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit erstmals im neuen Citycube statt. Die rund 8100 aus allen Bereichen des Gesundheitswesens diskutierten 3 Tage in ca. 200 Veranstaltungen die aktuellen Herausforderungen des Gesundheitswesens.

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Der Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat in der Eröffnungsveranstaltung seinen Fahrplan vorgestellt. Noch in diesem Jahr will er einen Entwurf für ein E-Health-Gesetz vorlegen. „Mit dem Gesetz möchten wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Aufbau und die Nutzung der Telematikinfrastruktur weiter konkretisieren, um diesen Prozess zu beschleunigen“, so Gröhe. . Nachdem alle gesetzlich Versicherten mit einer elektronischen Gesundheitskarte ausgestattet seien, gehe es nun darum, zügig Anwendungen zum Nutzen von Patienten und Patientinnen einzuführen. Die Schnittstellen in den Kommunikationsstrukturen sollen zu echten Nahtstellen werden.

Herr Gröhe möchte den Krankenkassen mehr Beitragsautonomie einräumen, der Arbeitgeberbeitrag soll jedoch festgeschrieben bleiben.

Die ärztliche Versorgung der ländlichen Regionen möchte er unterstützen, indem er für die Nachwuchsmediziner mit anderen Berufsvorstellungen praktische Gestaltungsmöglichkeiten einräumt. So wird die Residenzpflicht aufgehoben, Möglichkeiten zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in Form von Praxisgemeinschaften und Medizinischen Versorgungszentren werden erleichtert und die Delegation von ärztlichen Tätigkeiten an medizinisches Fachpersonal soll ermöglicht werden.

Den langen Wartezeiten bei Fachärzten wird er mit der Errichtung von Terminservicestellen begegnen. Thüringen ist das erste Bundesland, was eine solche Stelle einrichten wird.View of participants1

Für die pflegerische Versorgung steht nach wie vor das Prinzip ambulant vor stationär, was dem Wunsch der meisten Pflegebedürftigen entspricht. Herr Gröhe sieht Nachbesserungsbedarf in der Gestaltung der Pflegeversicherung. Ab Januar 2015 soll auch für Inhaber der Pflegestufe 0 die Inanspruchnahme von Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege möglich sein.

Professor Otmar Wiestler, Vorstandsvorsitzender des deutschen Krebsforschungszentrums, stellte im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung die bahnbrechenden Erkenntnisse der molekularen und personalisierten Medizin vor. Er ist optimistisch, dass in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren manifeste Krebserkrankungen über längere Zeit stabil gehalten werden können, wie es bereits bei HIV-Erkrankungen möglich ist. „Veränderungen im Krebsgenom spielen eine wesentliche Rolle für Entstehung und Verlauf von Krebserkrankungen. Diese Untersuchungen bilden die Basis für personalisierte oder gar individualisierte Behandlungsstrategien“, sagte er. Das wirklich große Potential der Zukunft liege in der intelligenten Kombination verschiedener Behandlungsformen, die die Krankheit an verschiedenen Stellen attackiert. „Parallel dazu müssen wir massiv in die Risikoerfassung bei Gesunden sowie die individuell angepasste Früherkennung und Prävention von Krebs investieren“, forderte der renommierte Wissenschaftler.

Prof. Ekkernkamp, Kongressleiter des Ärzteforums, sagte zu dem Thema in der Abschlusspressekonferenz: „ Bisher war Molekularmedizin etwas für Onkologen an den Unikliniken, jetzt müssen wir uns alle damit beschäftigen“.

Die Kombination von medizinischer Entwicklung und die Nutzung hochmoderner Kommunikationstechnologie stellt das Unfallkrankenhaus Berlin (Ukb) im Rahmen einer Pressekonferenz vor. Die maritime Medizin ermöglicht es Ärzten auf Kreuzfahrtschiffen, kardiologische Daten vom Schiff über Satellit ins Krankenhaus zu übertragen, wo es von Experten zeitnah ausgewertet wird. In dem Projekt zwischen Ukb und AIDA-Schiffen wurden bislang 330 EKG-Befunde ausgewertet. In Zukunft sollen auch radiologische Befunde übermittelt werden können. Das Berufsgenossenschaftliche  Krankenhaus in Berlin-Marzahn ist auch in anderen Bereichen der Maritimen Medizin aktiv und einer der wichtigsten Standorte für Hilfe bei Notfällen auf hoher See.

KettnerHedwig Francois-Kettner, in diesem Jahr erstmals Leiterin des Pflegekongresses, stellt gemeinsam mit Prof. Reinhard Busse (TU Berlin) die Personalprobleme im Bereich Intensivstation und Anästhesie vor. Im Rahmen der Pressekonferenz erläutert Herr Busse, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern nicht weniger pflegerisches Fachpersonal pro Einwohner hat, aber deutlich mehr Patienten in Krankenhäuser überwiesen werden. Eine Verminderung der Patientenzahlen in Krankenhäusern darf aber keinesfalls zu Personalabbau führen.
Frau Francois-Kettner führt aus, dass Stellen nicht nachbesetzt werden können. Neben der Entwicklung von Instrumenten, wie Personal gewonnen und gehalten werden kann, müssen auch strukturelle Fragen berücksichtigt werden.

Frau Jenny Hoyer, MBA an der Charite Berlin stellt ein Trainee-Programm vor. An der Intensivpflege Interessierte mit wenig oder lange zurück liegender Berufserfahrung werden 15 Monate in der Praxis begleitet. Sie erhalten 200 Stunden theoretischen Unterricht und können so für sich feststellen, ob sie sich eher für die internistische oder die chirurgische Intensivpflege interessieren. Auch für die Kinderintensivpflege konnte so Personal gewonnen werden. Bisher wurden 50 Trainees begleitet, achtzig Prozent sind geblieben. Die Bewerber kommen von außen, so dass nicht Fachpersonal aus anderen Abteilungen abgeworben wird.

„ Die neue Zielgruppe lebt in einer digitalen Welt. Sie mögen flache Hierarchien, ihre Lebensversicherung ist Bildung und sie möchten Sicherheit. Die meisten Bewerbungen kommen per Email. Wir rufen innerhalb von 48 Stunden an und nehmen Kontakt auf, manchmal auch Samstag und Sonntag. Diese kurzen und direkten Wege kommen gut an“, so Frau Hoyer.

Die Krankenhäuser müssen sich mit Fragen der Marktbereinigung auseinandersetzen. „Wir haben zu viele Krankenhäuser“, stellte der Gesundheitsunternehmer und wissenschaftlicher Leitung des Managementkongresses Krankenhaus Klinik und Rehabilitation Prof. Heinz Lohmann fest. Grund ist die kürzere Verweildauer in den vergangenen Jahren.

.„Da sich keine Landräte freiwillig melden werden, um ihre Krankenhäuser zur Schließung vorzuschlagen und auch die Krankenhausplanung der Länder mit der Aufgabe völlig überfordert ist, muss der Wettbewerb ran“, so Lohmann.

Eugen Münch, Aufsichtsratsvorsitzender Rhön-Klinikum-AG, sieht die Zukunft in Krankenhausketten. Diese können die medizinische Versorgung sicherstellen, wenn sie eine bestimmte Größe erreichen. Neben der Sicherstellung der Basisversorgung, die für alle Menschen schnell erreichbar sein muss, geht die Entwicklung in Richtung Spezialisierungen.

Claus Fussek (Vereinigung Intergationsförderung) hat sich gemeinsam mit Prof. Dr. Heckelmann und Uwe Preusker (Leiter Pflegekongress) dem Thema Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Pflege gewidmet.
Herr Fussek erläutert, dass die Fixierung sowohl mit Gurten als auch medikamentös erfolgt. Die Gründe sieht er im Personalmangel der Pflegeeinrichtungen. „Würde ein Tierpark so mit den Tieren umgehen, gäbe es einen Aufstand“, so Fussek. Er stellt fest, dass die Grundeinstellung nicht stimmt, keine Kontrolle stattfindet und viele Pflegekräfte zu wenig Deutsch sprechen, um mit Demenzkranken adäquat kommunizieren zu können.
Die Benotungen durch den MDK findet er „Schwachsinn pur“.

Herr Preusker betont, dass man alle Seiten sehen muss und nicht den Pflegekräften die Schuld in die Schuhe schieben kann. „Man muss ihnen die Angst nehmen“. Mitverantwortlich sind auch die Heimaufsicht, Leitungen der Pflegeheime und Ministerien.

Der Jurist Prof. Heckelmann erläutert, dass Gerichte in Haftungsverfahren und Betreuungsverfahren umlernen und stärker die Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen in den Vordergrund stellen. Die Spannung zwischen Freiheit  und Sicherheit in der pflegerischen Betreuung wird mittlerweile „sensibler gesehen“.

Die Kongressleitung bewertet die Veranstaltung in dem neuen Gebäude als positiv. Die Teilnehmerzahl konnte wieder leicht gesteigert werden. Für die Kliniken sei die Zeit der Sommerfrische vorbei, jetzt kommen die Herbststürme, so Prof. Lohmann.

Herrn Prof. Ekkernkamp erfreute die hohe Teilnehmerzahl der Klinikärzte.
Frau Francois-Kettner, die im nächsten Jahr alleine den Pflegekongress leiten wird, wünscht sich noch mehr Vernetzung unter den Berufsgruppen.

2015 findet der Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit vom 10.-12.Juni statt.

C. Musah

Photos: HSK