10 Millionen Euro für die bessere Behandlung der Multiplen Sklerose

Charité leitet Public-private-Partnership zur Entwicklung einer Diagnoseplattform

Asia 728x90

Berlin, 06.07.2023

Weil sie so unterschiedlich verläuft, gilt die Multiple Sklerose (MS) als die „Krankheit mit tausend Gesichtern“. Die Komplexität der Erkrankung macht auch ihre Behandlung schwierig. Ein internationales Konsortium unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin möchte das ändern: Es will eine KI-gestützte Online-Plattform entwickeln, die den Verlauf der MS individuell vorhersagen kann. Das soll es leichter machen, die jeweils beste Therapie festzulegen. Das Projekt „Clinical impact through AI-assisted MS care” (CLAIMS) wird jetzt im Rahmen der Innovative Health Initiative der EU für vier Jahre mit knapp 10 Millionen Euro gefördert.

Bei der Multiplen Sklerose greift das Immunsystem das zentrale Nervensystem an. Je nachdem, welche Nervenfasern geschädigt werden, kann das zu Sehstörungen, Sensibilitätsstörungen, Müdigkeit, Konzentrationsproblemen, motorischen und weiteren neurologischen Einschränkungen führen. Weltweit sind über 2,8 Millionen Menschen von der schwerwiegenden Autoimmunkrankheit betroffen, in Deutschland sind es rund 250.000. 70 bis 80 Prozent der Erkrankten sind Frauen. Heilbar ist MS nicht, ihr Verlauf lässt sich jedoch mithilfe von Medikamenten und weiteren Maßnahmen günstig beeinflussen. Dafür ist es elementar, dass die Behandlung möglichst individuell zugeschnitten ist.

„Mit dem Projekt CLAIMS wollen wir die Behandlung von Menschen mit MS noch stärker personalisieren“, erklärt Prof. Dr. Friedemann Paul, Koordinator der Initiative und Direktor des Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung von Charité und Max Delbrück Center. „Dazu werden wir Vorhersagemodelle entwickeln, die den Krankheitsverlauf für jede Patientin und jeden Patienten auf Basis der individuellen Daten prognostizieren und die Wirkung verschiedener Medikamente simulieren können. Wichtiger Bestandteil ist dabei die Einbeziehung der Betroffenen.“

15 Partner aus 9 Ländern erforschen Multiple Sklerose

Für die Entwicklung der Plattform vereint das Konsortium die klinische, wissenschaftliche, technische und kommunikative Expertise von 15 öffentlichen und privaten Partnern aus neun verschiedenen Ländern – von Klinika über Universitäten zu kleinen und großen Unternehmen sowie einer Stiftung. In die Algorithmen einfließen sollen klinische Daten wie MRT-Bilder und Ergebnisse aus Blut- und Augenuntersuchungen, und zwar über den Verlauf der Krankheit hinweg. Zusätzlich sollen Patient:innen über eine App selbst Angaben zu ihren Symptomen, ihrem Befinden und auch finanziellen Belastungen beitragen können. Die Informationen werden pseudonymisiert und datenschutzkonform übermittelt, analysiert werden sie mit neuesten Deep-Learning-basierten KI-Modellen. Die Plattform soll dabei auch zusätzlich bestehende Krankheiten berücksichtigen können.

Ziel ist ein möglichst umfassendes Bild der individuellen MS-Erkrankung. Gleichzeitig verspricht sich das Forschungsteam, noch mehr über die Multiple Sklerose zu erfahren – beispielsweise wie sie sich mit oder ohne Krankheitsschübe entwickelt. „Wir hoffen, dass der ganzheitliche Blick künftig ermöglicht, dass jeder und jede MS-Betroffene zum richtigen Zeitpunkt das richtige Medikament erhält“, erklärt Prof. Paul. „Ich bin überzeugt, dass wir so die Lebensqualität und Prognose der Menschen mit MS deutlich verbessern können.“

Über CLAIMS

CLAIMS wird als eines der ersten fünf Projekte im Rahmen der Innovative Health Initiative (IHI) mit rund 9,9 Millionen Euro für vier Jahre gefördert. Die Zuwendung wird etwa hälftig von Horizon Europe, dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, und Industriepartnern finanziert. Die 15 öffentlichen und privaten CLAIMS-Partner sind: Charité – Universitätsmedizin Berlin (Koordination; Deutschland), icometrix NV (Projektleitung; Belgien), Aalto University (Finnland), AB Science SA (Frankreich), Bristol-Myers Squibb Company (USA), Casa Di Cura Igea SA (Italien), European Charcot Foundation (Belgien), F. Hoffmann-La Roche AG (Schweiz), Imcyse SA (Belgien), Nocturne GmbH (Deutschland), Ruhr-Universität Bochum (Deutschland), Synapse Research Management Partners SL (Spanien), Technische Universität Dresden (Deutschland), Université de Lille (Frankreich), Všeobecná Fakultní Nemocnice v Praze (Tschechien). Prof. Dr. Friedemann Paul, Koordinator der Initiative, ist Direktor des ECRC sowie Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Neuroimmunologie am Neuroscience Clinical Research Center (NCRC) an der Charité. Grant Agreement No. 101112153.

Über die Innovative Health Initiative (IHI)

Die Innovative Health Initiative (IHI) ist eine Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und europäischen Industrieverbänden der pharmazeutischen Industrie, Medizintechnik, Biotechnologie, digitalen Gesundheit und Impfstoffentwicklung. Sie zielt darauf ab, Gesundheitsforschung und -innovation in Nutzen für Patient:innen und Gesellschaft umzusetzen und sicherzustellen, dass Europa in der interdisziplinären, nachhaltigen und patientenzentrierten Gesundheitsforschung führend bleibt.

Bild: MRT-Bild des Gehirns einer Patientin mit Multipler Sklerose. Die Nervenschädigungen sind als besonders helle Bereiche sichtbar. © Charité