Was tun, wenn Sportler psychisch krank werden?

Statement von
Petra Dallmann, Heidelberg
Ehemalige Schwimmerin in der Deutschen Nationalmannschaft
und
Ärztin in Ausbildung zur Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie

Wie mit Leistungsdruck und Versagensängsten umgehen?

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Nach neun Jahren Mitgliedschaft in der deutschen Schwimmnationalmannschaft und vielen internationalen Erfolgen möchte ich voranstellen, dass ich dem Leistungssport viele der schönsten Momente meines Lebens zu verdanken habe.  Diese Momente hatten ihren Preis. Neben körperlicher Erschöpfung, gesundheitlicher Risiken, Einbußen im sozialen Umfeld und zeitlichem Stress sind Leistungsdruck und Versagensängste die größten Belastungsfaktoren denen der Leistungssportler ausgesetzt ist.

Wie kommt dieser Leistungsdruck zustande? Monatelang trainiert, die Woche perfekt durchorganisiert, 24 Stunden täglich diszipliniert gelebt, jede Kalorie gezählt, auf Urlaub und Familienfeiern verzichtet, brennende Beine, Muskelkater und Gelenkschmerzen ausgehalten und mit einer nicht auskurierten Grippe zum Wettkampf gefahren. Das alles könnte völlig umsonst gewesen sein. Das Rennen geht Minuten, wenn nicht sogar nur Sekunden. Schon ein verpatzter Start kann bei olympischen Spielen vier Jahre Arbeit zunichtemachen.

Familie, Freunde und Kollegen verfolgen den Wettkampf, vielleicht sogar halb Deutschland. Und dann fiebern auch die Personen mit, mit denen man monatelang zusammen gearbeitet hat: Trainer, Physiotherapeut, Sportpsychologe, Manager, Mannschaftsarzt. Auch diejenigen, auf deren Meinung man eher nicht so viel  geben würde, wären sie nicht für die Überschrift der Boulevardzeitung verantwortlich oder würden mit ihren Kommentaren die Meinung der Fernsehzuschauer beeinflussen.

Darüber hinaus stellt sich die existenzielle Frage: ohne Medaille keine Förderung, ohne Tore keine Vertragsverlängerung, ohne Rekord keine Prämie. Oft geht es nicht nur um den Sportler, sondern auch dessen Familie. In manchen Sportarten gilt es ein gutes finanzielles Polster anzulegen, da eine Ausbildung während der aktiven Zeit schwer bzw. unmöglich zu organisieren ist.

All diese Punkte können einem kurz vor dem Start oder Anpfiff durch den Kopf gehen; dass sich daraus Leistungsdruck bis hin zu Versagensängsten entwickelt, ist nur allzu verständlich. Dies gilt auch, wenn das Training schlecht läuft oder man verletzt ist. Auszeiten werden dem Sportler nicht zugestanden.

Wie schafft man es damit umzugehen, sich nicht von den Ängsten erdrücken zu lassen? Ein Sportler braucht die Herausforderung um Höchstleistungen zu erbringen. Nur derjenige, der den Wettkampf liebt und belastbar ist, schafft es an die Spitze.  Die meisten Sportler können den Leistungsdruck in der Regel positiv für sich nutzen, bei manchen kann es zur Überlastung führen. Wenn der Druck zu groß wird, Ängste den Alltag prägen, kann sich ein „Burn-out-Syndrom“ bzw. eine Depression entwickeln. In einigen Sportarten besteht ein deutlich erhöhtes Risiko an einer Essstörung zu erkranken (Anorexia athletica).

Seit einigen Jahren können Sportler glücklicherweise zunehmend die Hilfe von Sportpsychologen in Anspruch nehmen. Dies ist vielen eine große Hilfe. Hier steht jedoch die Leistungssteigerung im Vordergrund weniger das Erkennen und Behandeln psychiatrischer Erkrankungen. Spezielle Angebote für Sportler die psychiatrische Hilfe benötigen gibt es bisher kaum. Ziel könnte ein Netzwerk aus Psychiatern und Psychotherapeuten sein, die sich durch besondere Qualifikationen auszeichnen (Wissen um Anti-Doping Bestimmungen, Erfahrung mit der Welt des Leistungssports usw.).

Nach meiner Erfahrung ist es hilfreich ein zweites Standbein zu haben. Wenn das Selbstwertgefühl einzig abhängig vom sportlichen Erfolg ist wird es schwerfallen Druck und Ängste zu reduzieren. Erwähnenswert ist hier die Idee der dualen Karriere, sprich die Vereinbarkeit von Spitzensport und Berufsausbildung bzw. Beruf. Das erleichtert Athleten den Übergang von der zeitlich begrenzten Sportkarriere in den nächsten Lebensabschnitt. Ein Zeitpunkt der sicherlich als kritisches Lebensereignis zu werten ist.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass ein Leistungssportler extremen körperlichen und psychischen Stress aushalten muss und dies auch kann, sonst wäre er nicht erfolgreich. Jedoch steht der Sportler zunehmend im Mittelpunkt des medialen Interesses und es geht um immer mehr Geld. Nicht jeder ist der größer werdenden Belastung gewachsen. Das kann in eine psychiatrische Erkrankung münden. Es sollte sichergestellt werden, dass diese rechtzeitig erkannt wird und eine den besonderen Anforderungen des Leistungssportlers gerecht werdende qualifizierte Behandlung angeboten wird.