Sechs Millionen Alzheimer-Patienten in Europa:

Frühe Diagnose mit Nuklearmedizin möglich

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Mit den nuklearmedizinischen Schnittbildverfahren PET und SPECT lassen sich Erkrankungen des Gehirns wie Alzheimer und Parkinson schon frühzeitig feststellen. „So sind bei Patienten, die beispielsweise aufgrund ihrer Erbanlagen ein hohes Risiko für das Auftreten dieser Erkrankungen haben, erste Anzeichen bereits nachweisbar, bevor klinisch relevante Symptome auftreten“, erklärte Prof. Dr. Klaus Tatsch von der European Association of Nuclear Medicine (EANM). Dies hat den Vorteil, dass neue, sogenannte neuroprotektive Medikamente, die das Fortschreiten der Erkrankungen hinauszögern sollen, bereits in frühen Stadien der Erkrankung zum Einsatz kommen können.

Mit herkömmlichen Diagnosemethoden lassen sich Erkrankungen des Gehirns oft nicht exakt klassifizieren. Biopsien (Gewebeentnahmen) sind riskant, CT und MRT bilden überwiegend Änderungen von Strukturen ab. „Da vielen Erkrankungen des Zentralen Nervensystems (ZNS) Störungen von Stoffwechselprozessen oder der Übertragung von Botenstoffen (Neurotransmitter) zugrunde liegen, benötigt man nuklearmedizinische Verfahren“, erläutert EANM-Experte Prof. Tatsch aus Karlsruhe, Deutschland. Diese, so Tatsch, haben eine rasante technische Entwicklung hinter sich und ermöglichen inzwischen Analysen auf molekularer Ebene. „Eine solche molekulare Bildgebung des ZNS mit nuklearmedizinischen Techniken gewinnt in der klinischen Praxis immer breiteren Einfluss und zeigt enorme Möglichkeiten für künftige Anwendungen.“

Demenzerkrankungen: Ähnliche Symptome erschweren Diagnose
Besondere Bedeutung erlangen die neuen Untersuchungsmethoden bei Demenzerkrankungen wie Alzheimer, von denen inzwischen europaweit etwa sechs Millionen Menschen betroffen sind – mit stark steigender Tendenz! Sicher unterscheiden  lässt sich zwischen vielen Demenzformen erst nach dem Tod des Patienten anhand einer Gewebeanalyse des Gehirns. Zu Lebzeiten sind Befragungen von Betroffenen und Angehörigen für die Diagnose ebenso maßgeblich wie die klinische Bewertung der Symptome durch erfahrene Ärzte. „Aufgrund der Überschneidung vieler klinischer Symptome ist die Differentialdiagnose jedoch ausgesprochen schwierig. Unterschiedliche Erkrankungen wie die frontotemporalen Demenzformen oder die Alzheimer-Demenz lassen sich vor allem in frühen Stadien klinisch oft nicht sicher voneinander abgrenzen“, sagte Prof. Tatsch. Ebenso schwierig ist die Voraussage, ob milde Merk- und Konzentrationsstörungen später in eine der neurodegenerativen Demenzformen übergehen werden. Dies ist für eine medikamentöse Therapie, die vor allem zu Beginn der Behandlung die meiste Aussicht auf Erfolg hat, aber von großer Wichtigkeit.

Nuklearmedizinische Untersuchungsmethoden wie PET (Positronen Emissions Tomographie) oder SPECT (Single Photonen Emissions Computer Tomographie) können die Diagnosestellung ergänzen und in vielen Fällen konkretisieren. Diese besonderen Bild gebenden Verfahren machen Stoffwechselvorgänge im Gehirn auf einzigartige Weise sichtbar und können so beispielsweise frühzeitig feststellen, ob es zu einer krankhaften Amyloid-Plaqueablagerung gekommen ist – der Hauptursache einer Alzheimererkrankung. Möglich macht dies der Einsatz radioaktiver molekularer Markersubstanzen, die dem Patienten vor der Untersuchung gespritzt werden. Sie liefern für die jeweiligen Erkrankungen typische Stoffwechselbilder, die zum Beispiel anzeigen in welchen Hirnregionen der Zuckerstoffwechsel gestört ist, oder sich Amyloid-Plaques abgelagert haben.

Parkinson: Nuklearmedizin stellt fest, ob Therapie wirkt
„Auch Patienten mit Bewegungsstörungen wie etwa der Parkinson-Krankheit profitieren zunehmend von den Möglichkeiten der ZNS-Bildgebung“, erklärte der EANM-Experte. Mit PET und SPECT sei eine Beteiligung des dopaminergen Systems bei einer Bewegungsstörung leicht abschätzbar. Der Botenstoff Dopamin ist ein für die Steuerung von Bewegungsabläufen wichtiger Informationsüberträger im Nervensystem. Ein Mangel an Dopamin deutet auf eine Gruppe von Erkrankungen hin, bei denen die Dopamin-produzierenden Zellen untergehen. Wichtigster Vertreter dieser sog. neurodegenerativen Parkinson-Syndrome ist die Parkinson-Krankheit. Nuklearmedizinische Verfahren können den Verlust an Dopamin-produzierenden Zellen darstellen und damit diese Erkrankungen gut von Parkinson-ähnlichen Erkrankungen abgrenzen, die gänzlich anders behandelt werden müssen und oft auch eine ganz andere Prognose haben. Prof. Tatsch: „Die Bedeutung der nuklearmedizinischen Verfahren geht heute aber bereits deutlich über die reine Diagnosestellung hinaus. Inzwischen können wir nicht nur feststellen, ob eine begonnene Therapie bei Parkinson-Patienten sinnvoll ist, um deren Symptome zu bessern sondern auch, ob sich mit diesen Medikamenten der fortlaufende Untergang von Nervenzellen verzögern lässt.“

Molekulare Signalwege mit PET-Untersuchungen verfolgen
Die Zahl verschiedener molekularer Signalwege, die etwa mit PET-Untersuchungen verfolgt werden können und die wichtige Hinweise über Art und Verlauf der Erkrankung geben, wächst beständig. EANM-Experte Prof. Tatsch: „Nuklearmedizinische Verfahren sind schon heute unverzichtbar bei der Bewertung von Stoffwechselerkrankungen des Gehirns und des Zentralen Nervensystems. Darüber hinaus befinden sich viele neue Ansätze in der klinischen Erprobung und geben Anlass zu großen Hoffnungen.“