Jedes Jahr wird im Rahmen des Hauptstadtkongresses eine medizinische Innovation vorgestellt, so Prof. Dr.Axel Ekkernkamp, wissenschaftlicher Leiter des Ärzteforums. Es gibt Kollegen, die ihre Ergebnisse nur auf reinen Fachkongressen vorstellen wollen, aber an dieser Tradition wird festgehalten.
Prof. Dr. Ullrich Meier, Klinikdirektor der Neurochirurgie im Unfallkrankenhaus Berlin, hat eine randomisierte Studie geleitet, an der sieben Kliniken teilgenommen haben. Diese stellt er auf einer Pressekonferenz im ICC vor.
Zehn Prozent aller Demenzkranken weisen Symptome einer Demenz auf, sie leiden aber an einer Krankheit, die heilbar ist: idiopathischer Normaldruckhydrozephalus, besser verständlich als Altershirndruck. Die Hirngefäße sind bei diesem Erscheinungsbild so starr, dass der Herzschlag nicht mehr gedämpft wird, sondern die Pulsierung ungehemmt auf das Gehirn einhämmert. Das Gehirn wird an die mit Liquor (Hirnwasser) gefüllten Hirnkammern gepresst, was zu einem Zelltod im Frontalhirn führt. Die Symptomatik erscheint wie eine klassische Demenz.
Die anfängliche Hauptsymptomatik ist hier jedoch die Gangstörung, erklärt Prof. Meier. Der Betroffene „klebt am Boden, kriegt die Beine nicht hoch und braucht mindestens fünf Schritte, um sich im Kreis zu drehen“. Unbehandelt führt der Altershirndruck zu dem Erscheinungsbild einer Alzheimer-Demenz mit kognitiven Einschränkungen, Immobilität und Inkontinenz.
Im Computertomograph ist eine Erweiterung der Hirnkammen sichtbar, in denen sich das Hirnwasser befindet. Lässt man mithilfe einer Punktion 50-60 ml Hirnwasser ab, führt es zu einer Druckentlastung und damit Verbesserung der Gehfähigkeit.
Die Behandlung ist nicht das Problem, so Prof. Meier, sondern die Früherkennung durch niedergelassene Allgemeinmediziner. Kommt ein Patient mit der Verdachtsdiagnose Altershirndruck in die Behandlung von Prof. Meier, qualifiziert er sich für die neue Behandlung, wenn nach der Liquorpunktion eine Gangbesserung eintritt. Die Therapie muss zeitnah erfolgen, nach Bestehen der Symptomatik von einem Jahr ist die Prognose sehr schlecht. Meier betont, dass alle Mediziner auf die Frühsymptomatik bei demenziellen Symptomen achten müssen: bei Altershirndruck ist die Gangstörung die Erstsymptomatik, bei einer Demenz die kognitiven Störungen.
Um den Patienten nicht ständig mit einer langen Nadel Gehirnwasser aus dem Rückenmark ziehen zu müssen, wird operativ ein Abflusssystem implantiert, über das das überflüssige druckerzeugende Gehirnwasser in den Bauchraum geleitet wird. Das Verfahren ist bekannt und wird schon lange bei Säuglingen angewandt, die an Hydrozephalus (Wasserkopf) leiden.
Die Neuerung ist jedoch ein Ventil, das von dem behandelnden Neurochirurgen individuell eingestellt werden kann. Der Abfluss von Gehirnwasser aus dem Gehirn in den Bauchraum erfolgt kontrolliert, egal in welcher Körperlage der Patient sich befindet. Ein „Versacken“ des Hirnwassers in den Bauch, wenn der Patient z.B. schnell aufsteht, kann nicht passieren. Der Patient kann sein Leben wie gewohnt fortführen, ohne auf physikalische Druckbedingungen Rücksicht nehmen zu müssen.
Die teuren Ventile konnten die Komplikationsrate nach der Operation von 33% auf 3% senken. Prof. Meier behandelt jährlich 60 Patienten, jedes Jahr werden es 10-15 % mehr. Die Ergebnisse der Studie werden im Lancet Neurology publiziert.
Das Deutsche Ärzteforum präsentiert die Ergebnisse im Rahmen des Hauptstadtkongresses unter dem Titel „Die heilbare Form der Demenz- zu teuer für unser System?“ Die Operation mit stationärer Behandlung gibt es bereits im Fallpauschalenkatalog, sie kostet 6300 Euro. Die Verteuerung entsteht durch das neue Ventil, es ist ca. 1400 Euro teurer als das alte Ventil mit der höheren Komplikationsrate. Da das Ventil lebenslang im Körper verbleiben kann, fallen die Kosten von 1400 Euro zusätzlich nur einmalig an. Prof. Meier schlägt vor, die Mehrkosten durch ein Sonderentgelt zu vergüten. Das Unfallkrankenhaus verwendet ausschließlich die modernen Ventile, auch wenn bisher keine Zusatzvergütung erfolgt.
Der Einsatz der neuen Ventiltechnik hat sich amortisiert, wenn dem Patient dadurch 3,5 Monate Pflegestufe I, 1,4 Monate Pflegestufe II oder 1 Monat Pflegestufe III erspart bleibt. Wer hier von „teuer“ spricht, spielt Verschiebemonopoly von der Kranken- in die Pflegekasse oder hat in der Schule im Matheunterricht sehr tief geschlafen, so die Einschätzung der Gesundheitsredaktion der AfricaNewsAnalysis.
C. Musah