Ein Magenbypass, der bei extremer Fettleibigkeit einen Gewichtsverlust erzwingt, kann Menschen mit Typ-2-Diabetes mellitus in drei Viertel der Fälle von ihrer Stoffwechselstörung befreien. Dieser Effekt hält einer aktuellen Studie zufolge zwei Jahre nach dem Eingriff an. Ob eine Operation auch weniger übergewichtigen Diabetikern hilft, auf Insulingaben zu verzichten, untersuchen derzeit Mediziner am Universitätsklinikum Heidelberg in einer klinischen Studie. Die Forscher interessiert dabei auch, ob die Operation außerdem die schädlichen Folgen des erhöhten Blutzuckers an Gefäßen oder Nerven verhindern kann. Über erste Ergebnisse und die Risiken und Chancen der Diabeteschirurgie berichtet Kongresspräsident Professor Markus W. Büchler im Vorfeld des 129. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) auf einer Vorab-Pressekonferenz am 23. April 2012 in Berlin.
Bei einem Magenbypass wird die Nahrung anders als beim Magenband aus einem verkleinerten Magen direkt in den Dünndarm geleitet. Die Nahrung umgeht damit dauerhaft den Zwölffingerdarm. Das Risiko, an der Operation zu versterben, liegt trotz der Hochrisikopatienten bei geringen 0,35 Prozent. Die Patienten können nach wenigen Tagen die Klinik verlassen.
„Die Magenverkleinerung zwingt zu kleineren Mahlzeiten. Zudem ist durch die funktionelle Verkürzung des Dünndarms die Verdauung energiereicher Fette und Kohlenhydrate deutlich vermindert“, erklärt Professor Dr. med. Markus W. Büchler, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine, Viszerale und Transplantationschirurgie, Universität Heidelberg. Bei extremer Fettleibigkeit habe sich die Magenbypass-Operation bewährt. Sie werde in Deutschland für Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 35 angeboten.
Neu ist der Einsatz bei Menschen mit Typ-2-Diabetes mellitus, die in der Regel übergewichtig mit einem BMI ab 25, aber nicht unbedingt extrem fettleibig sind. „Nicht alle Fettleibigen haben einen Diabetes“, berichtet Professor Büchler: „Wenn dieser aber besteht, kommt es nach der Operation in bis zu 93 Prozent zu einer so genannten Remission, beziehungsweise Verbesserung des Blutzuckers.“ Dieser normalisiere sich oft schon nach wenigen Tagen, noch bevor die Gewichtsabnahme einsetze. In Heidelberg untersucht das Team um Büchler deshalb, bei welchen Patienten die Operation auch zur Kurierung des Typ-2-Diabetes mellitus angeboten werden kann.
Professor Büchler verweist auf zwei Studien, die im März auf der Jahrestagung des American College of Cardiology in Chicago vorgestellt wurden. „Es handelt sich um die ersten großen Studien, in denen die Operation direkt mit der medikamentösen Diabetestherapie verglichen wurde“, berichtet der Chirurg: „In beiden Studien erzielte der Magenbypass bei den schwer Übergewichtigen die bessere Wirkung. In einer Studie hatten 42 Prozent der Diabetiker zwei Jahre nach der Operation einen normalen Langzeitblutzuckerwert HBA1c, in der anderen Gruppe erzielten sogar 75 Prozent eine Heilung.“ Medikamente konnten dagegen den Diabetes erwartungsgemäß nicht heilen. „Einige blutzuckersenkende Medikamente haben außerdem den Nachteil, dass sie eine Gewichtszunahme fördern und damit den Stoffwechsel zusätzlich belasten“, sagt Büchler.
Das Ziel der Diabetesbehandlung ist allerdings nicht allein die Normalisierung des Blutzuckers, sondern auch die Vermeidung der Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte und der Folgeschäden an Herz, Nieren und Nerven. Ob die Operation diese Komplikationen verhindere und langfristig die Lebenserwartung der Diabetiker verlängere, sei noch nicht geklärt. „Dies wird in der sogenannten DiaSurg 2-Studie, die im Juni am Universitätsklinikum in Heidelberg startet, untersucht“, so Professor Büchler. Diabetikern, die nicht extrem fettleibig sind, sollte derzeit nicht außerhalb klinischer Studien zur Operation geraten werden.
Die Vorsicht gründet sich auf die nicht abschließend untersuchten Langzeitfolgen der Operation. Die funktionelle Darmverkürzung schränkt die Aufnahme von Vitaminen und Spurenelementen ein. Ein Mangel an Vitamin D und Kalzium kann beispielsweise langfristig den Knochenstoffwechsel stören und eine Osteoporose begünstigen. Professor Büchler: „Die Adipositaschirurgie ist keine Lifestyle-Operation, nach der die Patienten ihr früheres Leben fortsetzen können.“ Deshalb sollte in Zentren sichergestellt sein, dass Patienten nach der Operation von Ernährungs- und Sportmedizinern und Psychologen betreut werden.
Literatur:
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