Bosbach wirbt für Asylverfahren an Landgrenzen

 CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach/Foto: Bundestag
CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach/Foto: Bundestag

Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach wirbt für die Einführung von Asylverfahren an den Landgrenzen in sogenannten Transitzonen. Das Landgrenzenverfahren „würde ermöglichen, offensichtlich unbegründete Anträge schon an der Grenze abzulehnen und die Einreise zu verweigern“, sagte Bosbach der Wochenzeitung „Das Parlament“. Zurzeit weise man niemanden an den Grenzen zurück, sondern versuche mühsam, alle Ankommenden zu registrieren. Solange sich die Lage aber nicht grundlegend ändere – wofür es derzeit keinen Anhaltspunkt gebe -, „müssen wir die jetzigen Kontrollen beibehalten und durch ein Landgrenzenverfahren komplettieren“.

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Der CDU-Bundestagsabgeordnete kritisierte zugleich,  dass in der Diskussion über mögliche Transitzonen „mit völlig falschen Zahlen“ operiert werde.  Derzeit werde der Eindruck erweckt, dass es darum gehe, in Grenznähe Zehntausende längere Zeit in Lagern unterzubringen. Das sei „grober Unfug“. Bei Flüchtlingen, die aus Kriegs- oder Krisengebieten wie Syrien, Irak oder Afghanistan kommen, sei eine Unterbringung in einer Transitzone weder geplant noch notwendig. Anders sei  es bei ungeklärter Identität und Nationalität oder „wenn mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Bleiberecht gewährt werden kann, etwa weil jemand aus einem sicheren Herkunftsland kommt“. Von den ungefähr 6.000 Flüchtlingen, die am 12. Oktober gekommen seien, stammten aber lediglich etwa drei Prozent – also etwa 180 Personen – aus den Staaten des westlichen Balkan, die als sichere Herkunftsländer gelten.

„Wir sprechen – Stand heute – bei den Transitzonen also von einer überschaubaren Zahl von Flüchtlingen, die für kurze Zeit festgehalten werden können“, fügte Bosbach hinzu. Es gehe „definitiv nicht um Zehntausende“.

Das Interview im Wortlaut:

Herr Bosbach, derzeit wird über Asylverfahren an der Grenze in sogenannten Transitzonen gestritten. Reichen die eben beschlossenen Asyl-Reformen nicht, den Flüchtlingsandrang zu bewältigen?
Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist richtig und wichtig. Es dient verschiedenen Zwecken. So sollen die Rückführung von ausreisepflichtigen Personen beschleunigt und die Integrationschancen der Menschen mit Bleiberecht deutlich verbessert werden. Auch werden die Länder und Kommunen vom Bund finanziell deutlich besser gefördert und durch Änderungen im Bau- und Vergaberecht wollen wir sicherstellen, dass leichter als nach geltender Rechtslage rasch angemessene, winterfeste Unterkünfte errichtet werden können. Das Gesetz enthält aber keine Regelungen für eine deutlich schnellere Bearbeitung offensichtlich unbegründeter Asylanträge schon an der Grenze. Eine Möglichkeit, solche Anträge in einem vereinfachten Verfahren zu bearbeiten, gibt es zurzeit nur an einigen Flughäfen der Bundesrepublik. An unseren Landgrenzen wäre das rechtlich erst dann möglich, wenn wir die einschlägigen EU-Richtlinien umgesetzt haben. Daran arbeiten wir.

Schon das jetzt beschlossene Reformpaket wird kritisiert: Kürzungen des Existenzminimums aus migrationspolitischen Motiven verstießen gegen ein Verfassungsgerichtsurteil.
Das Existenzminimum wird sichergestellt, aber es sollen für vollziehbar Ausreisepflichtige künftig nur noch Sachleistungen gewährt werden. Ich finde das richtig: Wir sollten alles unterlassen, was einen Anreiz bieten könnte, unter Berufung auf das Asylrecht, tatsächlich aber aus asylfremden Gründen nach Deutschland einzureisen, um hier ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu bekommen.

Beim Vorrang für Sachleistungen, wird beklagt, müssen die überlasteten Helfer diese Dinge auch noch verteilen.
Wenn man sagt, Geldleistungen seien einfacher zu organisieren als Sachleistungen, dann mag das stimmen. Aber das löst nicht unser Problem. Im Vergleich zu den allermeisten EU-Ländern sind die bei uns gewährten Leistungen ausgesprochen hoch. Auch dies dürfte ein Grund sein, warum seit Monaten weit mehr als die Hälfte aller Asylbewerber in Europa nach Deutschland kommen, obwohl viele wussten oder hätten wissen müssen, dass ihr Asylantrag unter keinem rechtlichen Aspekt Erfolg haben kann, weil sie weder vor Krieg noch Bürgerkrieg oder politischer Verfolgung geflohen sind. Wenn gesagt wird, dass niemand für 140 Euro seine Heimat verlässt, ist das nur zur Hälfte richtig. Bei der Wahl der Zielländer spielen sicherlich auch die dort gewährten Leistungen eine große Rolle, und für die allermeisten Flüchtlinge sind Barleistungen wesentlich attraktiver als Sachleistungen.

Drohen bei längeren Verbleib in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht mehr Konflikte unter den Flüchtlingen?
Je kleiner die Aufnahmeeinrichtungen, desto eher können Konflikte vermieden werden. In vielen Kommunen sind aber viele dezentrale Aufnahmeeinrichtungen gar nicht möglich. Viele Gemeinden sind ja heilfroh, wenn sie etwa leere Hotels oder Turnhallen haben, um möglichst viele Menschen rasch unterbringen zu können.

Zurück zu den Transitzonen an den Grenzen. Wie soll das praktikabel sein?
Zunächst müssen wir die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, ein solches Verfahren überhaupt durchführen zu können. Dann wäre es wichtig, dass in der Öffentlichkeit nicht mit völlig falschen Zahlen operiert wird. Derzeit wird der Eindruck erweckt, dass es darum gehe, in Grenznähe Zehntausende längere Zeit in Lager unterzubringen. Das ist grober Unfug. Am 12. Oktober kamen ungefähr 6.000 Flüchtlinge nach Deutschland, davon etwa drei Prozent – also etwa 180 Personen – aus den Staaten des westlichen Balkan. Bei Flüchtlingen, die aus Kriegs- oder Krisengebieten wie Syrien, Irak oder Afghanistan kommen, ist eine Unterbringung in einer Transitzone weder geplant noch notwendig. Anders ist es bei ungeklärter Identität und Nationalität oder wenn mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Bleiberecht gewährt werden kann, etwa weil jemand aus einem sicheren Herkunftsland kommt. Wir sprechen – Stand heute – bei den Transitzonen also von einer überschaubaren Zahl von Flüchtlingen, die für kurze Zeit festgehalten werden können. Das Landgrenzenverfahren würde ermöglichen, offensichtlich unbegründete Anträge schon an der Grenze abzulehnen und die Einreise zu verweigern. Es geht definitiv nicht um Zehntausende.

Die Grenzkontrollen, laut Schengen nur für eine bestimmte Zeit zulässig, müsste es dann aber länger geben?
Zurzeit weisen wir niemanden an den Grenzen zurück, sondern versuchen mühsam, alle Ankommenden zu registrieren. Solange sich die Lage aber nicht grundlegend ändert – wofür es derzeit keinen Anhaltspunkt gibt -, müssen wir die jetzigen Kontrollen beibehalten und durch ein Landgrenzenverfahren komplettieren.

Aber betroffene Flüchtlinge könnten doch solche Transitzonen umgehen und einfach über die grüne Grenze kommen?         
Das kann man in der Tat nicht in jedem Fall verhindern. Aber das ist doch kein Argument, auf das Landgrenzenverfahren zu verzichten. Mit diesem Argument stellt man auch der Bundespolizei zu Unrecht das Zeugnis aus, dass sie ihre Aufgabe der Grenzsicherung nicht hinreichend wahrnehmen kann. Da sollten wir ihr doch mehr zutrauen.

Innenminister de Maizière plädiert dafür, dass die EU feste Kontingente zur Aufnahme von Flüchtlingen festlegt und die Aufnahme damit begrenzt. Ist das mit dem Grundrecht auf Asyl vereinbar?
Das Grundrecht auf Asyl kennt weder Höchstzahlen noch Quoten. Aber das bedeutet im Umkehrschluss doch nicht, dass die Aufnahme- und Integrationskraft Deutschlands unbegrenzt ist. Schon heute stellt sich doch die Frage, ob die Grenzen unserer Aufnahmefähigkeit im Jahre 2015 nicht schon überschritten sind, wenn alleine Deutschland mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge aufnimmt, die in die EU kommen. Daher kann ich es verstehen, dass der Bundesinnenminister vehement ein Verfahren für eine gleichmäßigere Verteilung der Flüchtlinge in der EU fordert.

De Maizière fordert zudem ein einheitliches EU-Asylrecht auch bei den Leistungsstandards. Müssten dazu nicht die deutschen Leistungen abgesenkt werden?
Ein einheitliches Leistungsniveau dürfte schon deshalb nicht durchsetzbar sein, weil 140 Euro in Deutschland eine viel geringere Kaufkraft haben als etwa in Rumänien. Aber zumindest sollte das Niveau nicht so unterschiedlich sein wie jetzt. Doch darüber entscheiden die Staaten in eigener Verantwortung. Eine deutliche Absenkung unter das derzeitige Niveau dürfte bei uns an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts scheitern.

Was sagen Sie zur Entscheidung der Kanzlerin, die Grenzen für die in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge zu öffnen?
Diese Entscheidung kann ich nachvollziehen, denn es war eine Maßnahme in einer ganz besonderen Situation zur Abwehr einer humanitären Katastrophe. Es wäre aber gut gewesen, wenn wir von Anfang deutlich gemacht hätten, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und warum wir nach der Einreise der Flüchtlinge sofort Grenzkontrollen einführen müssen. Wir haben damit aber eine gute Woche gewartet, so dass öffentlich der Eindruck erweckt wurde, dass hier eine zumindest partielle Kurskorrektur stattfindet – was ja auch tatsächlich der Fall war. Diese Kurskorrektur war allerdings im wahrsten Sinne des Wortes notwendig.