Auf dem richtigen Holzweg: Forstwirtschaft feiert 300 Jahre Nachhaltigkeit – Von Sandra Prüfer

Dieser Tage wird bundesweit daran erinnert, dass das Prinzip der Nachhaltigkeit vor 300 Jahren in der deutschen Forstwirtschaft entwickelt wurde. Holz ist ein wertvoller Rohstoff und CO2-Speicher. Eine neue Studie belegt, dass die Holznutzung einen wichtigen Beitrag zum dauerhaften Klimaschutz leistet.

Laubwald/Photo: HAF
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„Es kracht im Wald. Die Preise sind oben. Mit Holz lässt sich gut Geld verdienen“, freut sich Dieter Altrogge, Leiter des Regionalforstamts Siegen-Wittgenstein. Holz hat Konjunktur, nicht nur in Südwestfalen. Aber die weltweite Versorgung wird immer schwieriger.

Die Welternährungsorganisation (FAO) prognostiziert, dass der globale Holzverbrauch bis 2050 um 50 Prozent steigen wird. Hauptverantwortlich sind die steigende Nachfrage der Schwellenländer und die wachsende Weltbevölkerung. Gleichzeitig sinkt das Angebot, weil riesige Waldflächen abgeholzt werden. Jährlich gehen laut FAO weltweit 5,2 Mio. Hektar Wald verloren. Das ist ein Fuβballplatz pro Sekunde. (Siehe Infografik) Es wird mehr Holz verbraucht als nachwächst.
Urvater der Nachhaltigkeit

Dass das auf Dauer nicht gut gehen kann und die Lebensgrundlage der Menschen zerstört, hat der sächsische Oberbergbauhauptmann Hans Carl von Carlowitz bereits vor 300 Jahren erkannt. Holz wurde seinerzeit nicht nur zum Bauen, Heizen und Kochen benötigt, sondern auch als Rohstoff für den Silberbergbau im Erzgebirge. Die mit Holzkohle betriebenen Schmelzhütten verschlungen ganze Wälder. Besorgt, dass die Holzknappheit die wirtschaftliche Existenzgrundlage bedroht, forderte von Carlowitz, dass der Anbau des Holzes so zu gestalten sei, dass es „eine continuierliche, beständige und nachhaltende Nutzung gebe.“

Carlowitz-Stich/SLUB / Deutsche Fotothek / Regine Richter

Von Carlowitz gilt deshalb als Vater des Konzepts der Nachhaltigkeit. Die nationale Aktionswoche zur Nachhaltigkeit (15. – 21. Juni) stand im Zeichen seines 1713 veröffentlichten bahnbrechenden Werkes „Sylvicultura Oeconomica“ zur nachhaltigen Waldwirtschaft. Zur Eröffnung einer Ausstellung zu seinem Leben und Wirken im Kreisamt Siegen-Wittgenstein veranstaltet das Regionalforstamt am 25. Juni ein Forum über „Nachhaltigkeit im Wandel der Zeit“.

Der Begriff sei heute viel weiter gefasst, sagt Altrogge: „Zur ökonomischen sind die ökologische, soziale und kulturelle Komponente hinzugekommen.“ Das Ziel sei eine nachhaltige, naturnahe und multifunktionale Waldbewirtschaftung, die die Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes sicherstellt.

Nachhaltigkeit habe eine lange Tradition im Siegerland, die weit bis ins Mittelalter reicht. Das Umdenken erfolgte auch damals aus einer „knallharten“ Krise heraus. Siegen-Wittgenstein ist nicht nur der waldreichste Kreis Deutschlands (70% Waldfläche), sondern auch die drittstärkste Industrieregion. „Als das Ruhrgebiet noch unter dem Buchenwald schlummerte, war das Siegerland die Waffenschmiede Mitteleuropas“, erklärt Altrogge.

Die blühenden Eisenhütten führten zu einem enormen Bevölkerungsanstieg und fast kompletten Entwaldung des Siegerlands. Altrogge erinnert an die 1562 aus akuter Holznot geborene Wald- und Holzverordnung. Sie schrieb unter anderem vor, dass jeder Hausbesitzer jährlich so viele Bäume pflanzen müsse, wie er Rindviecher besaß, und für jeden gefällten Stamm Bauholz vier Eichen nachgepflanzt werden mussten.

Orthofoto Dresrener Heide/Photo: OpenForests

Neues Holzzeitalter

Vor dem Hintergrund der Energiewende wird Holz als erneuerbarer Energieträger immer wichtiger. Im Mai präsentierte Landesumweltminister Johannes Remmel die Ergebnisse einer Studie zum Wald und Klimaschutz in NRW. “Die neue Studie belegt, dass neben dem CO2-Speicher Wald vor allem der Produktspeicher und die Substitutionsleistung von Holz von entscheidender Bedeutung für den Klimaschutz in NRW sind”, so sein Fazit.

Nach der Studie werden durch Waldwachstum und Holznutzung die CO2-Emmissionen in NRW um rund 18 Millionen Tonnen jährlich reduziert. Davon sind 22 Prozent auf die Senkleistung des Waldes zurückführen und 78 Prozent auf die Holznutzung. Nicht der Wald, sondern die Verwendung des nachwachsenden Rohstoffes trägt demnach wesentlich zum Klimaschutz bei.

Holz statt Plastik

Durch den vermehrten Einsatz von Holzprodukten (statt Kunststoff oder Metall) und einer verbesserten Kaskadennutzung ließe sich die Klimaschutzleistung weiter erhöhen. Unter Kaskadennutzung versteht man eine mehrstufige Holzverwertung, erst stofflich (z.B. als Bauholz) und später energetisch (Verbrennung), so dass das Kohlendioxid länger im Holz gebunden bleibt.

Für Altrogge ist Holz der umweltgerechte Rohstoff schlechthin. Die Produktion von Holz ist im Vergleich zu anderen Werkstoffen energiearm. „Wald atmet Kohlendioxid ein. Das Holz, das wir verbrennen, ist klimaneutral. Jede Bahnschwelle aus Holz ist besser als eine aus Beton“, so Altrogge. Er verweist auf die neue Windkraftanlage in Niedersachsen, deren 100 Meter hoher Turm komplett aus Holz gebaut ist. Dieser Holzturm zeige, dass Holz eine kostengünstige Alternative zu Stahl und wichtiger Baustein für die Energiewende sein kann.

Forstwitschaft/Photo: HAF

In Nordrhein-Westfalen gibt es 180 000 Beschäftigte in der Forst- und Holzwirtschaft, die mit einem Umsatz von 38 Mrd. EUR (2011) die Größenordnung des Maschinenbaus erreicht. 70 Prozent des Waldes ist in Privatbesitz. Die Rendite liegt derzeit bei 3,5 bis 5 Prozent, so Altrogge.

Importverbot für illegal geschlagenes Holz

Nachhaltige Forstwirtschaft gilt als krisen- und inflationssicher. Doch wer in Wald investiert, braucht einen langen Atem. Von der Aufforstung bis zur Ernte vergehen hierzulade 50 bis 80 Jahre. In den Tropen dauert es nur rund 25 Jahre, weil Bäume dort klimabedingt schneller wachsen. Seit Mai gilt in Deutschland das neue Holzhandels-Sicherungs-Gesetz (HolzSiG), das die Einfuhr von illegal geschlagenem Holz und Holzprodukten verbietet und national die Durchführung der im März in Kraft getretenen EU-Holzhandels-Verordnung regelt. Verstöße können mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden, zudem wird Holz aus illegalem Einschlag beschlagnahmt.

Dadurch wird die Nachfrage nach zertifiziertem Tropenholz steigen. Nachhaltig bewirtschafte Wälder können in Entwicklungs- und Schwellenländern sowohl zum Klimaschutz als auch zur Armutsbeseitigung beitragen. Doch die Waldfläche muss groß genug sein, um international rentabel zu sein.
Flugdrohnen gegen Holzraubbau

Alexander Watson, Forstwissenschaftler/Photo: OpenForests

„1000 Hektar gelten als Mindestgröße“, sagt Alexander Watson, Forstwissenschaftler und Gründer der Bonner Startup Openforests, ein online Marktplatz für nachhaltige Waldwirtschaft. „Wir beraten Investoren und Projekte bei der Realisierung biodiverser und sozial gerechter Forstprojekte.“ Das Angebot umfasst bislang 10 Projekte in Nord- und Südamerika und Afrika.

Watson geht es nicht um Wohltätigkeit, sondern um Investition in nachhaltige Forstwirtschaft, die dem Anleger eine stabile Rendite bringt, zusätzlich zur CO2-Ausgleichszahlung. Wichtig ist ihm zudem die soziale und kulturelle Inklusion. Beide Seiten – der Investor und lokale Projektpartner—sollen dauerhaft profitieren.

Er sieht keine Gefahr, dass der Holzmarkt wegbricht, aber die Forstwirtschaft birgt andere Risiken in Form von Schädlingen, Waldbrand oder illegalem Einschlag. Um diesen zu begegnen, setzten er und seine Partner auf Flugdrohnen und modernste Technologie.

Oktokoper drohne für Detailaufnahmen/Photo: OpenForest

“Wir wollen Vertrauen durch eine erlebte Transparenz aufbauen“, sagt der 30-jährige Jungunternehmer. „Dazu setzen wir eigene Flugdrohnen ein. Anhand hochauflösender Fotokarten und 3D-Kronenoberflächenmodellen lässt sich der Projektfortschritt und die Mittelverwendung nachvollziehen.“

Durch wiederholte Überfliegung könne man illegalen Holzeinschlag und andere Bestandsschäden frühzeitig erkennen. (Siehe Demo) „Die Drohnen liefern uns Bilder mit extrem hoher Auflösung, viel besser als Satellitenbilder. Man kann sogar einzelne Äste sehen“, so Watson.

In der Tradition von Hans Carl von Carlowitz könnte man dazu wohl Sylvicultura Oeconomica 2.0. sagen.

 

 

 

FAO forest infographic http://www.fao.org/economic/es-home/infographics/forest-info/en/#.UcKVeu86nIU

Jubiläum 300 Jahre Nachhaltigkeit http://www.forstwirtschaft-in-deutschland.de/jubilaeumsjahr/nachhaltigkeit/

Studie Wald und Klimaschutz in NRW http://www.wald-und-holz.nrw.de/wald-und-holz-nrw/aktuelles-und-presse/aktuelle-meldung/pm/klimapositives-wachstum-in-der-forst-und-holzwirtschaft-ist-das-moeglich.html

Timber Tower http://www.timbertower.de/

Openforests http://www.openforests.com/
Flugdrohnen Demo http://demos.openforests.com/videos/forest-damage-assessment.html?width=854&height=480&iframe=true&scrolling=false&template=node_in_colorbox